Was hat uns zur Gründung von Stadtrecherche veranlasst?
Bereits im November letzten Jahres waren die Krisenzeichen bei der SR alarmierend. Das SR-Kollektiv rief zu einer ersten Solidaritäts-und Rettungskampagne auf. Es wurde eine Abo-Kampagne gestartet mit dem Ziel 2000 neue Abos zu erhalten. Die Solidarität aus der Kölner Szene war großartig. Es konnten über 2000 neuen Abos generiert werden. Trotzdem war klar, eine tolle Kampagne allein reicht nicht, um das strukturelle Defizit der SR dauerhaft aufzufangen. Seit Jahren kämpft die Stadtrevue mit sinkenden Anzeigeneinnahmen, z.B. den kompletten Verlust von überregionalen Marken-Anzeigen, den Verlust von bezahlten, regionalen Kleinanzeigen und den sinkenden Erlösen aus Kulturanzeigen, besonders seit den Corona-Jahren. Über den enorm wachsenden Druck auf Printmedien und Digitalmedien, wird Jürgen Salm gleich berichten.
Kurzum, die prekäre finanzielle Lage spitzte sich weiter zu. Schließlich wurde im Frühjahr 2025 klar, dass die SR Insolvenz anmelden musste, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Zum aktuellen Stand der „vorläufigen Insolvenz in Eigenverantwortung“ und den strukturellen Erlösproblemen der Stadtrevue
wird uns Christina Prediger (SR-Geschäftsführung) informieren.
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Idee einen Förderverein und danach eine Genossenschaft zu gründen. Stadtrecherche e.V. gründeten wir im Juli 25. Im Vorfeld informierten wir uns bei bestehenden Fördervereinen und Medien-Genossenschaften, die für kritischen und unabhängigen Journalismus einstehen.
Besonders interessant schien uns das Modell der linken Schweizer WOZ-Wochenzeitung zu sein. Sie erscheint seit 1981 wöchentlich, mit einer aktuell verkauften Auflage von ca. 19.500 Expl. in der Schweiz. Es gibt eine Genossenschaft und den Förderverein „ProWoz“, die Belegschaft arbeitet in Selbstverwaltung.
Der Förderverein ProWoz wurde 1984 mit dem Ziel gegründet der WOZ aus einer existenzbedrohenden finanziellen Krise zu helfen. Seine Aufgabe war daher primär, Finanzmittel zugunsten der WOZ zu beschaffen. Das hat er erfolgreich geschafft. Seit 15 Jahren ist die Genossenschaft Infolink – die Herausgeberin der WOZ- finanziell gesund und stabil. ProWOZ dient heute nicht mehr primär als Notnetz für die WOZ, sondern sorgt für die Mittel, die über Abo- und Werbeeinnahmen hinaus nötig sind, um eine positive Entwicklung zu ermöglichen. Zwischenzeitlich hat sich der Verein darauf konzentriert, durch hohe Mitgliedsbeiträge und Spenden, Mittel für einen Recherchefonds einzuwerben.
In den letzten Jahren konnten jährlich ca. 50 – 60 Tsd. Franken zur Verfügung gestellt werden. Der Recherchefonds finanziert den Redakteur:innen zeitintensive Recherchen und damit ausführliche Hintergrundberichte, unbequeme Analysen und Enthüllungen der WOZ, die über deren normales Budget hinausgehen. 2024 wurden davon ca. 30 – 40 Rechercheaufträge und Artikel finanziert.
Wir sehen, es lässt sich durchaus, auch in schwierigen und turbulenten Zeiten, etwas bewegen. So stellen wir uns die künftige Arbeit von Stadtrecherche vor. Übrigens können die Unterstützer:innen von ProWoz ihre Spenden und Beiträge steuerlich nicht absetzen. Womit wir zu der wichtigen Frage kommen, kann Stadtrecherche gemeinnützig werden? Die Antwort lautet aktuell, leider nein!
„Vereine die sich in Deutschland um den Amateurfunk, Modellflug oder Dackel-Wackel-Hundezucht-Sport kümmern, können laut Paragraf 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig anerkannt werden. Sogar das Schach als Sport gilt, und damit ebenfalls Steuervergünstigung erlangen kann, wurde vom Gesetzgeber pflichtbewusst notiert. Aufwendige journalistische Recherchen oder Non-Profit-Journalismus (z.B. Reporter ohne Grenzen) fallen hingegen nicht darunter“ (Zitat Netzrecherche 2013). Mit Rechercheförderung allein gibt es keine Chance auf Gemeinnützigkeit, das wird die aktuelle Bundesregierung nicht ändern. Im Gegenteil, es wird von rechts mehr kontrolliert, was in ihrem Sinne gemeinnützig sein darf. Der Entzug der Gemeinnützigkeit für Attac, Campact und VVN sind Beweis genug.
Aber auch ohne das Label „Gemeinnützigkeit“ wird Stadtrecherche agieren. Und klar, die Mitgliedsbeiträge sind vergleichsweise hoch. 20 Euro monatlich als Standard-Beitrag. Der Förderbreitag liegt bei 40 Euro monatlich. Das ist immer noch weniger als ein Monatsbeitrag bei Fitness First. Wer kann und will, darf gerne beim FörderPLUS-Beitrag in Höhe von 60 Euro ein Kreuzchen machen. Der Gegenwert für hohe Beiträge ist ein politischer; Ihr investierst in eine echte Rarität: unabhängigen und kritischen Lokaljournalismus.
Genossenschaft:
Genossenschaft und Verein haben unterschiedliche Zielrichtungen: 
Die Genossenschaft wird Eigentümerin und Herausgeberin der Stadtrevue. Sie generiert ihr Kapital dadurch, dass Menschen Kapitalanteile erwerben und damit Genossen:innen werden. Damit soll eine breit angelegte wirtschaftliche Basis für die Stadtrevue gelegt werden. Der Gründungsprozess ist gestartet. Felix Klopotek wird später dazu berichten
Abschließend bleibt zu sagen. In Köln wird die Stadtrevue mehr denn je gebraucht. Aber Sie muss sich ein Stück weit neu erfinden. Dazu gehört es, mit neuen Inhaltsangeboten und Formaten zu arbeiten. Medienmacher:innen heute müssen radikal umdenken, um auf Dauer bei zunehmender Digitalisierung, und den Herausforderungen durch KI und Social-Media, inhaltlich relevant zu bleiben.
Hinzu kommt ein anschwellender rechter Diskurs in der „medialen Öffentlichkeit“. Springer Medien, Neue Zürcher Zeitung und andere bürgerlich-konservative Medien haben bereits den rechten Sound der AFD talks übernommen. Die Stadtrevue muss in Köln gegen den Trend anstinken! Sie muss weiterhin Themen aufgreifen, die von anderen gerne „übersehen“ oder bewusst unterschlagen werden. Konsequent kritisch und unabhängig – und ja auch links – zu sein, ist und bleibt ein Alleinstellungsmerkmal der Stadtrevue. Darin liegt eine Chance. Die gilt es für die Zukunft zu nutzen. Liebes Publikum, liebe Stadtrevue-Leser:innen, dazu brauchen wir Eure Solidarität und Unterstützung!
Herzlichen Dank für Eure Aufmerksamkeit!
															